26. Januar 2023

Ist SAP International Trade in S/4HANA das neue GTS?

SAP GTS als eigenständiges System oder International Trade in S/4HANA: Welches System wird den Anforderungen des Außenhandels gerecht? Ein Überblick über die Funktionen, Vor- und Nachteile beider Lösungen.

Am Anfang war das Foreign Trade

Historisch gesehen entwickelte sich die Lösung Globald Trade Services – kurz GTS – um den Anforderungen an den Außenhandel gerecht zu werden, die nicht mit dem Modul SD-FT/MM-FT abgedeckt werden konnten. Das ins ERP integrierte Modul FT – Foreign Trade – wurde in den 90er-Jahren entwickelt, als die Außenhandelsregelungen noch nicht so streng und komplex waren. Dementsprechend sind auch die Funktionalitäten nicht so umfangreich. Spätestens nach dem 9/11 änderten sich die Anforderungen an den Außenhandel und eine neue Lösung musste her. Mit GTS brachte die SAP ein neues System auf den Markt, welches die neuen Bedürfnisse erfüllt. Nichtsdestotrotz entwickelte die SAP auch das Modul SD-FT/MM-FT kontinuierlich weiter, so dass alle gesetzlichen Anforderungen mit beiden Lösungen – SD-FT/MM-FT und GTS – integriert umgesetzt werden konnten.

Warum dann eine neue Lösung?

Mit GTS strebte die SAP einerseits eine effizientere Gestaltung der Geschäftsprozesse an. Andererseits stand die Sicherheit der Abläufe, im Sinne von Vermeidung menschlicher Fehler, im Vordergrund. GTS bietet sowohl im ERP als auch im S/4 HANA eine vollumfängliche Lösung, welche auch die Anbindung an ATLAS zur Verfügung stellt und somit die Kommunikation mit dem Zoll ermöglicht. GTS kann als zentrales Außenhandelssystem an mehrere Systeme angebunden werden, da es sich hier um ein eigenständiges System handelt, welches nicht Teil eines Kerns ist, so wie das SD-FT Modul.

International Trade unter S/4HANA

Die Einführung von S/4HANA verändert die Prozessabwicklungen in vielen Bereichen. Die Außenhandelsabwicklung ist dabei keine Ausnahme. Der internationale Handel in der Kernanwendung von S/4HANA nennt sich zukünftig International Trade und ersetzt die SD-FT Komponente aus ERP spätestens 2027 vollständig, da in diesem Jahr die ECC-Wartung eingestellt wird.

International Trade deckt alle geschäftskritischen Prozesse ab, allerdings sind die Stammdaten nicht mehr so umfassend wie es in GTS der Fall war. So entfallen im Materialstamm beispielsweise die Präferenzabwicklung und der Warenursprung. Die Zolltarifnummern können zwar immer noch gepflegt werden, allerdings nur über FIORI-Apps.

 

Während in GTS in der Faktura noch viele Außenhandelsdaten gepflegt werden konnten, entfällt diese Option auf Belegebene unter International Trade komplett:

Im Lieferschein bleiben noch einige Pflegemöglichkeiten, allerdings in einem reduzierten Umfang:

FIORI ist das neue GUI

Ein weiteres Merkmal von International Trade in S/4HANA ist das Verwenden von FIORI-Apps für viele Prozesse. Diese sind übersichtlich und bieten für den Endanwender ein einheitliches Bild, da in der Zukunft immer mehr Unternehmen auf die Nutzung von FIORI umsteigen. Durch die bereits bekannten Strukturen aus den FIORI-Apps führt dies auch zu einer Verkürzung der Einarbeitungszeit, da der Endanwender nicht GUI- und FIORI- Oberflächen nutzen muss. Einige Funktionen wie beispielsweise die Verwaltung von Zolltarifnummern findet nur noch über FIORI statt, eine GUI-Transaktion dazu steht nicht mehr zur Verfügung.

Das GTS kennt zwar auch einzelne FIORI-Apps, jedoch ist der Umfang der Applikationen in GTS gering und der größte Teil der Prozesse wird nach wie vor in GUI-Transaktionen abgewickelt.

Vorteile von International Trade

  • Im Gegensatz zum eigenständigen System GTS ist das International Trade direkt in S/4HANA integriert, so dass hier keine weiteren Schnittstellen notwendig sind. Somit entfällt mit International Trade eine wesentliche Fehlerquelle und ein Wartungsbereich.
  • Tiefere Integration in die MM- und SD-Module, da die Daten nicht erst von S/4HANA transportiert werden müssen, sondern die Module innerhalb eines Systems ineinander greifen.
  • Da die Daten nicht erst in ein weiteres System übergeführt werden müssen, läuft das Intrastat-Reporting in International Trade deutlich schneller und ist präziser im Vergleich zu GTS.
  • Da das International Trade in S/4HANA integriert und nicht extra lizenziert werden muss, punktet die Lösung im Vergleich zu GTS, für das als separates System eigene Lizenzgebühren anfallen.

Nachteile von International Trade

Im Vergleich zu GTS fehlen in International Trade leider einige wichtige Funktionen:

  • Keine Präferenzabwicklung: Nicht alle Kunden nutzen diese Option. Für diejenigen jedoch, die sie im Einsatz haben, entfällt eine wichtige Funktionalität: die der Warenursprungsermittlung. Diese Option führt zu einem Wettbewerbsvorteil, da mit dem Warenursprung das Freihandelsabkommen genutzt werden kann.
  • Kaum Außenhandelsdaten in den Belegen: Wie bereits oben erwähnt, ist die Pflege der Außenhandelsdaten auf Belegebene nicht mehr im gewohnten Umfang möglich, sondern nur deutlich reduziert.
  • Keine Kommunikation mit dem Zoll: Diese entfällt im Vergleich zu GTS. Wer jedoch bis jetzt das Modul Foreign Trade im Einsatz hatte, wird diese Funktion nicht vermissen: Im Modul FT ist sie nicht vorhanden.

Vorteile von GTS

GTS wurde im Jahr 2000 als Reaktion auf Einführung der elektronischen Import- und Exportanmeldung eingeführt und wurde seitdem kontinuierlich verbessert und erweitert. Heute ist das GTS ein sehr ausgereiftes System, das in seiner Tiefe der Außenhandelsabwicklung führend ist.

Doch zwei vermutlich größte Vorteile von GTS gegenüber dem Modul FT und dem International Trade sind die Kommunikation mit dem Zoll und die Präferenzkalkulation.

 

Weitere wesentliche Vorteile in GTS sind

  • die detailliertere Klassifizierung: Die Klassifizierung ist in GTS allgemein flexibler und umfassender. Die Tarifierung kann auf Belegebene abgebildet werden.
  • die Sanktionslistenprüfung: Diese ist auch ohne online SPL-Anbindung möglich. Die SPL-Prüfung ist beliebig ausprägbar. Es können eigene Sanktionslisten angelegt und verwendet werden.
  • GTS ist eine zentrale Stelle für logistische Daten aus diversen ERP- und Transportmanagementsystemen, an der beispielsweise Import- und Exportanmeldungen erstellt und die Kommunikation mit den Zollbehörden aufbereitet. Somit werden die Daten nur einmal an lokaler Stelle geändert und nicht einzeln in jedem angebundenen System.

Mit Ablösung des Moduls FT zum 2027 stehen den Anwendern in Zukunft zwei Außenhandelslösungen zur Verfügung: GTS und International Trade. Obwohl das GTS deutlich umfangreicher ist, kann für viele Unternehmen, die keinen allzu komplexen oder ausgeprägten Außenhandelsbereich haben, durchaus das International Trade ausreichend sein.

Alvina Löbl, Consultant Sales & Foreign Trade CONSILIO GmbH Kontakt aufnehmen

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in Zukunft zwei SAP-Lösungen für die Außenhandelsabwicklung zur Verfügung stehen: SAP GTS und International Trade in S/4HANA, das Modul FT wird zum 2027 abgelöst.

Den größten Funktionsumfang bietet eindeutig die Lösung GTS. Für viele Unternehmen, die keinen allzu komplexen oder ausgeprägten Außenhandelsbereich haben, kann jedoch durchaus das International Trade ausreichend sein. Für eine erste Einschätzung, welches System für Sie das richtige ist, sehen Sie unseren Vortrag auf dem Summit 2022, in dem wir unter anderem eine allgemeine Empfehlung mit Berücksichtigung Ihrer Systemlandschaft aussprechen.