12. Februar 2024

So profitiert das Qualitäts-Management von S/4HANA

Der Wechsel auf S/4HANA bedeutet für die Mitarbeiter nicht, dass sie alles neu lernen müssen. 95 bis 99 Prozent ihrer Arbeit können sie so weiterführen, wie sie es gewohnt sind. Vielmehr bietet ihnen das System mit den neuen FIORI-Apps die Möglichkeit noch effizienter und intuitiver zu arbeiten.

Unterbrochene Lieferketten aufgrund von internationalen Interessenkonflikten setzen Unternehmen stark unter Druck. Hinzu kommt, dass Kunden immer mehr Service fordern, der sich nur mit innovativen Geschäftsideen und neuen Technologien wie IoT, Automatisierung sowie Artificial Intelligence (AI) mit klassischen ERP-Systemen befriedigen lässt. Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern und so die eigene Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, ist ein Wechsel auf S/4HANA mit seinen unzähligen Möglichkeiten nahezu alternativlos. Zusätzlichen Druck macht die SAP, indem sie das Wartungsende für die ECC-Systeme auf das Jahr 2027 festgelegt hat.

Drei Wege führen in die Zukunft

Den SAP-Anwenderunternehmen stehen daher von mehreren Seiten unter Druck ihre Wettbewerbsfähigkeit sicher zu stellen. Der zeitnahe Umstieg auf das neue SAP-System ist damit „alternativlos“. Drei Wege stehen Ihnen dabei offen:

  • Brownfield: Dieser Ansatz bedeutet die technische Conversion eines alten SAP-Systems nach S/4HANA innerhalb der bestehenden Modifikationen und der Prozess und IT-Architekturstrukturen, ohne dass diese maßgeblich verändert werden. Die Modifikationen bleiben also im Wesentlichen erhalten. Auch die historischen Daten werden überspielt.
  • Greenfield: Hier findet die die Neuimplementierung von S/4HANA und der entsprechenden ERP-Prozesse statt. Dieser Ansatz orientiert die Prozesslandschaft wieder stärker am SAP-Standard. Historische Daten können übernommen werden, sie müssen es jedoch nicht.
  • Crossfield: Bei dieser Mischform aus beiden Ansätzen entscheiden Anwender individuell, welche Prozesse neu modelliert oder technisch konvertiert werden sollen.

So unterscheidet sich S/4HANA von ECC

Auf was müssen sich die Anwender beim Umstieg einstellen? Die markanteste Veränderung ist wahrscheinlich die neue Struktur des Systems. So ersetzt die neue Architektur die klassischen ERP-Module durch die Geschäftsbereiche (Lines of Business, LoB). Das bedeutet: Jede LoB umfasst Prozesse und Funktionen für einen bestimmten Geschäftsbereich des Unternehmens. Eine SAP-LoB ist also eine logische Einheit in S/4HANA. Folgende LoBs gibt es:

  • Asset Management: umfasst das Anlagevermögen und Funktionen für die Instandhaltung und Wartung von Produktionsanlagen (Plant Maintenance) sowie Features für das Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsmanagement.
  • Finance: betrifft die Finanzbuchhaltung (inklusive Hauptbuch), die Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung, das Controlling, Finanzplanung und -analysen, Treasury, Risikomanagement, Konsolidierung und Abschlüsse.
  • Human Resources: stellt alle notwendigen Prozesse und Funktionen für das Personalwesen bereit. Hierzu zählen unter anderem die Personalverwaltung, die Lohn- und Gehaltsabrechnung (Payroll), das Zeit- und Anwesenheitsmanagement sowie Self-Service-Zugriffsmöglichkeiten auf HR-Daten für Mitarbeiter.
  • Manufacturing: bündelt alle wichtigen Anwendungen und Szenarien rund um die Fertigung. Zentrale Funktionen sind dabei die Produktionsplanung und -steuerung, die Durchführung der Produktion und das Qualitätsmanagement.
  • R&D and Engineering: liefert Unternehmen alle relevanten Features rund um das Product Lifecycle Management, also die Verwaltung des Produktlebenszyklus. Dazu gehören Funktionen für die Definition von Produktstrukturen und Stücklisten, Revisionen, die Kalkulation, das Projekt- und Portfoliomanagement und das Investitionsmanagement.
  • Sales: vereint alle wichtigen Funktionen für Vertrieb. Unterstützt werden klassische Aufgaben wie Kalkulation, Angebote, Aufträge, Kommissionierung, Verpackung, Retouren und Rechnungsstellung.
  • Sourcing and Procurement: unterstützt die Geschäftsprozesse in den Bereichen Beschaffung und Einkauf. Die Funktionen der ehemaligen Module MM und SRM wurden in diese SAP LoB übernommen und erweitert. Einkaufs- und Beschaffungsprozesse lassen sich mit dem Baustein End-to-End abbilden. Alle Abläufe sind dabei eng mit den angrenzenden LoBs (Supply Chain und Manufacturing) verzahnt.
  • Supply Chain: optimiert alle Aktivitäten entlang der gesamten Supply Chain – von den Lieferanten über die Produktion bis hin zum Endkunden. Dabei fließen kontinuierlich wichtige Informationen wie Absatzprognosen, Produktionsplanung und Bedarfsplanung ein.

Mit S/4 verbindet die SAP die alte mit der neuen Welt. 95 bis 99 Prozent der Funktionen lassen sich nutzen wie bisher, doch mit FIORI kommen neue Innovationen ins Spiel, die die Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen enorm steigern.

Daniel Aigner, Senior Consultant QM CONSILIO GmbH

Unter der Haube: Nur minimale Änderungen

Neben der neuen Struktur rückt bei S/4HANA auch die neue Benutzeroberfläche FIORI mit seinen Apps ins Zentrum der Betrachtung. SAP Fiori lässt sich am Büro-Computer, aber auch von unterwegs und sogar mit verschiedenen mobilen Geräten nutzen – vom Smartphone bis zum Tablet, ist personalisierbar (individuelle Anpassung von Layouts und Feldern, etc.) und ermöglicht einen rollenbasierten Zugriff. Damit stehen jedem Nutzer theoretisch die richtigen Informationen zur richtigen Zeit über verschiedene Benutzeroberflächen zur Verfügung. Viele Benutzer befürchten nun, dass sich die Bedienung von S/4HANA damit grundlegend ändert, was möglicherweise zu Widerstand bzw. Unmut führen könnte und deren Effizienz mindert, weil sie sich erst in das neue Bedienkonzept einarbeiten müssen. Das ist ein Trugschluss. Die Einführung von FIORI geht in den meisten Fällen nicht mit einer Streichung von Transaktionen einher. Die GUI-Funktionalität bleibt in S/4HANA zu 95 bis 99 Prozent gleich. Manche Transaktionen fallen jedoch weg oder werden ersetzt, um parallele Konzepte für gleiche Funktionen zu reduzieren. So ersetzt die Transaktion BP (Geschäftspartner pflegen) Transaktionen zur Pflege von Debitoren- und Kreditorendaten oder die Transaktion MIGO (Warenbewegungen buchen) ersetzt viele der MB*-Transaktionen – etwa MB01, MB02, MB03 etc.

Beispiel QM: FIORI bietet erheblichen Mehrwert

Es zeigt sich, nahezu alle Aufgaben lassen sich weiterhin in der verinnerlichten SAP-GUI bewältigen. Anwender können daher ihre Prozesse wie gewohnt bedienen und sind nicht gezwungen komplett umzudenken. Doch muss man sich auch bewusst sein, dass SAP neue Funktionalitäten und Innovationen künftig nur noch in FIORI abbildet.

Ein Praxisbeispiel aus dem Bereich QM soll das verdeutlichen. So wurde das Thema „Non-Conformance-Management“ (NC) in das QM integriert, wodurch sich die Fehlererfassung – losgelöst zur Prüflos-Bearbeitung – realisieren lässt. Diese Non-Conformance-Lösung ist allerdings nur über das FIORI erreichbar. Hier lassen sich beispielsweise einzelne Fehler erstellen und mit Maßnahmen abarbeiten – etwa mit der 8D-Methodik. Dabei handelt es sich um eine systematische Vorgehensweise und konsequente Dokumentation einzelner Lösungsschritte. Der Ansatz orientiert sich an Fakten und stellt sicher, dass Produktfehler auf ihre Ursachen zurückgeführt und künftig vermieden werden.

    Folgende 8 Schritte umfasst die Methode:

    • D1 Team erstellen
    • D2 Problem bzw. Fehlerbeschreibung 
    • D3 Sofortmaßnahmen definieren und den Bearbeitern zuordnen
    • D4 Fehlerursachen ermitteln 
    • D5 geplante Abstellmaßnahmen anlegen und zur Ursache zuordnen
    • D6 eingeführte Abstellmaßnahme aus den geplanten Maßnahmen erzeugen 
    • D7 Vorbeugemaßnahmen erörtern 
    • D8 Teamerfolg würdigen

    Auch das integrierte SAP FMEA hat die SAP mit der FIORI-App „FMEAs verwalten“ auf den neuesten Stand gebracht. Ein Highlight der neuen Version ist etwa die grafische UI5-Bedienoberfläche mit neuer Visualisierung, die verschiedene grafische Netzsichten bietet, um den Verantwortlichen die Bearbeitung ihrer FMEAs zu erleichtern. Die Sichten werden dabei grundsätzlich zum leichteren Verständnis als Netzwerkgrafik mit Knoten und Linien visualisiert.

    Ferner existiert eine App mit der eine vereinfachte Abhandlung der Erstmusterbeschaffung zum Lieferanten möglich ist. Neben der Standardfunktionalität mit einem Anwenderstatus im Qualitäts-Infosatz zu arbeiten, lässt sich jetzt im Qualitäts-Infosatz über die Produktionsteilfreigabe auch die neue Erstmusterabwicklung definieren. Nachdem dies aktiviert wurde, muss der Benutzer nun im Fiori das PPAP-Level definieren und den relevanten Einkaufsbeleg hinzufügen.

    Fazit: Altes und Neues vereint

    Beim Umstieg auf S/4HANA ändert sich zwar vieles, doch es findet kein vollständiger Bruch mit dem alten System statt. Die Mitarbeiter können mit dem neuen System im Grunde so arbeiten wie bisher, da die Änderungen im SAP-GUI nur minimal sind. Es gib jedoch viele neue Funktionalitäten, die die tägliche Arbeit verbessern und effizienter machen. Dazu zählen beispielsweise Echtzeit-Einblicke in die Vorgänge des Unternehmens, grafische Übersichten über definierte Kennzahlen sowie Kontextinformationen und wichtige Aspekte zentraler Objekte der Geschäftsvorgänge. Diese erweiterten, innovativen Funktionen erfordern jedoch ein Umdenken und den Einsatz der neuen FIORI-Apps.

    Weiterführende Infos: