IT-Onlinekonferenz 2021

Der CONSILIO-Expert-Talk: "Wie man ein Greenfield-S/4HANA-Projekt agil mit Model-based Design durchführt" fand im Rahmen der IT-Onlinekonferenz 2021 statt. Heiko Schmidt (TRATON SE) und Ludger Vieth (CONSILIO GmbH) gaben spannende Einblicke in das Projekt, die Vorgehensweise und erläuterten im Expertengespräch, welche Voraussetzungen dazu notwendig sind.

CONSILIO-Expert-Talk
CONSILIO-Expert-Talk


Referenten:
Dominik Köhler, SAP Teamleiter TRATON SE

Ludger Vieth, Vice President CONSILIO GmbH

Moderation:
Helge Sanden, Herausgeber und Chefredakteur IT-Onlinemagazin

S/4HANA-Greenfield-Einführung bei TRATON mit "Model-based Design"

Ein Greenfield-Projekt erfordert eine andere Vorgehensweise als eine Migration. TRATON hat sich – im Zuge des Carve-out aus den SAP-Systemen der MAN – bewusst für einen Greenfield-Ansatz entschieden. Statt der alten Prozesse, die nicht mehr zu den heutigen Anforderungen passen oder auf Basis älterer Software entstanden sind, soll zukünftig das volle Potenzial von S/4HANA genutzt werden. Es gilt, sich von den alten Prozessen zu lösen und die Prozesse in S/4HANA neu und zukunftsgerecht zu gestalten. Und zwar so, wie SAP es vorgedacht hat – möglichst weit im Standard.

Warum Model-based Design?

Grundsätzlich wäre es beim Carve-out am einfachsten gewesen, ihn eins zu eins und ungeachtet der neuen Möglichkeiten umzusetzen, die S/4HANA bietet. Aber genau das sollte hier nicht geschehen, denn TRATON möchte auch im nächsten Jahrzehnt noch von modernsten Prozessen profitieren.
Doch wie gelingt die Umsetzung? Zunächst fiel eine grundsätzliche Entscheidung für eine agile Vorgehensweise, weil klassische Methoden für dieses Vorgehen ungeeignet sind. Das agile Toolset Model-based Design wurde von CONSILIO speziell für die Implementierung von Standardsoftware im Greenfield-Ansatz entwickelt und hat sich bereits in vielen Kundenprojekten bewährt. Die hybride Methode ist in diesem Fall auch der Methodik SAP Activate vorzuziehen, da sich SAP Activate nur dann sehr gut eignet, wenn der Anwender ausschließlich SAP-Produkte im Einsatz hat.

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Der agile Anteil in einer grundsätzlich klassischen Projektstruktur

Die betriebswirtschaftlichen Anforderungen von TRATON wurden in einem Envision Workshop sehr effektiv und schnell erhoben. Anschließend wurde in drei Iterationen analysiert, welche Prozesse im SAP-Standard bereitstehen und welche in Best-Practice-Prozesse in S/4HANA umgesetzt werden können.
Die Berater von CONSILIO beschreiben ihr Vorgehen hier als "Umkehr der Beweislast", weil sie einem Kunden ihre entwickelten Prozessmodelle vorstellen und der Kunde dann entscheidet, was funktionieren kann und was nicht. Dies steht im Gegensatz zum Vorgehen bei einem klassischen Business Blueprint. Dort wird oft eine Phase vorgeschaltet, in der SAP dem Kunden vorgestellt wird. Der Kunde kann dann auf Basis seiner Anforderungen die benötigten Transaktionen und Felder auswählen. Ein Vorgehen, das sehr viel Zeit in Anspruch nehmen kann und – mangels Kenntnis neuer Prozesse – dazu führt, dass nur bereits bekannte Prozesse adaptiert werden.
Bei TRATON zeigten die drei Iterationen, dass ein Großteil der Prozesse im SAP-Standard passt. Ein Füllen der danach bestehenden Lücken wird dann in einem weniger agilen Verfahren vollzogen: Man erstellt beispielsweise Spezifikationen, wo eine Schnittstelle erforderlich ist. Wo das Standard-Verfahren nicht ausreicht, muss gegebenenfalls auf Programmierungen zurückgegriffen werden.
Die Iterationen, die mit dem gesamten Projektteam, also mit 60 bis 80 Mitarbeitern stattfanden, mussten im Rahmen des Envision Workshops coronabedingt remote durchgeführt werden. Dies war ein absolutes Novum und der Erfolg ist vor allem der hohen Disziplin und dem Engagement des Projektteams zu verdanken.


Projektausrichtung und beteiligte Module

Der Schwerpunkt des Projekts bei TRATON liegt klar im Bereich Finance und der Fokus darauf, dass aktuelle Finanzprozesse in der neuen S/4-Umgebung einwandfrei laufen. Denn es ist ein Ziel der neu gegründeten Dachgesellschaft für das Nutzfahrzeuggeschäft, ein eigenes internes Rechnungswesen aufzusetzen. Des Weiteren sind Logistik- und Beschaffungsprozesse in den Modulen MM und SRM im Fokus, insbesondere die Bestellabwicklung über den "Einkaufswagen".

Komplexe Probleme brauchen agile Lösungen

Modellbasiertes agiles Design – Einführung von Standardsoftware

Besonders interessant unter den agilen Methoden ist das Hybrid-Modell, welches agiles und klassisches Vorgehen vereint. Hybride Modelle eignen sich für komplexe Problemstellungen bei Standardsoftware. Hierbei wird agil vorgegangen, solange das Resultat mittels vorgefertigter Lösungen und Bausteinen noch unklar ist. Sobald dieses jedoch definiert wurde, der Lösungsweg funktioniert und der Kunden zustimmt, kann man aus der agilen Methode in die klassische Methode wechseln. Der Grund für den Wechsel von Agil zu Klassisch: Mit der Klarheit über die funktionierende Lösung ist die Komplexität in der Fragestellung verschwunden. Sobald keine Komplexität mehr vorliegt, benötigt man keine agile Methode mehr, sondern kann besser zur klassischen Methode wechseln, um die Lösung zu erreichen. Dieser Wechsel hat den Vorteil, dass wieder fixe Lösungen zu fixen Zeitintervallen möglich sind. Somit vereint das Hybrid-Modell die Vorzüge agiler und klassischer Methoden.

CONSILIO Expert Talk im Rahmen der
IT-Onlinekonferenz 2021

Helge Sanden, Herausgeber und Chefredakteur des IT-Onlinemagazins wollte von Ludger Vieth, CONSILIO, wissen, was er bei der S/4HANA-Einführung empfiehlt, welche Vor- und Nachteile das Model-based Design hat und was man unbedingt beachten sollte.

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