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08. Mai 2024

SAP-Kreditmanagement: in fünf Schritten zur erfolgreichen Implementierung

Mit SAP-Kreditmanagement bietet SAP Unternehmen eine Lösung, mit der Kreditprozesse automatisiert und optimiert werden können. Damit diese Lösung ihren vollen Nutzen entfalten kann, ist jedoch eine sorgfältige Implementierung erforderlich. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag, was Sie dabei beachten müssen.

Das Kreditmanagement ist ein essentieller Bestandteil jeder Unternehmensstrategie, insbesondere wenn es darum geht, Liquidität zu sichern und das Risiko von Zahlungsausfällen zu minimieren. Mit dem SAP-Kreditmanagement bietet SAP den Unternehmen eine Lösung, mit der Kreditprozesse automatisiert und optimiert werden können. Doch damit diese Lösung ihren vollen Nutzen entfalten kann, ist ein sorgfältiges Customizing bei der Implementierung unerlässlich. Nur durch ein fehlerfreies Customizing basierend auf den Geschäftsanforderungen lässt sich das volle Potenzial des Kreditmanagement ausschöpfen. Lesen Sie in diesem Blogbeitrag, worauf Sie dabei achten müssen.

1. Geschäftsanalyse und Anforderungsdefinition

Der erste Schritt in Richtung eines erfolgreichen Customizings besteht in der umfassenden Analyse der Geschäftsanforderungen. Eine detaillierte Anforderungsdefinition legt den Grundstein für ein effektives Customizing.

Dazu müssen sich Unternehmen im Voraus Gedanken zu ihrer Kundengruppe machen: Handelt es sich eher um eine homogene oder heterogene Kundengruppe? Diese kann zum Beispiel die Ausprägung der Risikoklassen oder auch die Anzahl der benötigten Prüfregeln beeinflussen. Bei einer heterogenen Kundengruppe ist der Bedarf an unterschiedlichen Risikoklassen, Prüfregeln oder Kreditgruppen in der Regel höher als bei einer sehr homogenen Kundengruppe. Dementsprechend müssen hier unter Umständen mehrere Prüfregeln vorgesehen werden, wenn die Stammkunden im Kreditmanagement bevorzugt behandelt werden sollen.

Auch die Internationalisierung des Kundenkreises kann bei der Anforderungsdefinition eine bedeutende Rolle spielen. Dabei muss entschieden werden, ob ggf. für jedes Land ein eigenes Kreditlimit benötigt wird oder ob ein länderübergreifendes Kreditlimit für einen Business Partner ausreicht. Dies nennt man auchzentrales vs. dezentrales Kreditmanagement. Durch die Ausprägung unterschiedlicher Kreditsegmente wird die Abbildung unterschiedlicher Kreditlimits von Tochterunternehmen in verschiedenen Ländern gewährleistet. Einer der wichtigsten Fragestellungen bei der Anforderungsdefinition ist jedoch die Definition des Einsatzbereiches. Zentral geht es dabei um die Frage, an welcher Stelle im Geschäftsprozess das Kreditmanagement überhaupt greifen soll.  SAP bietet hier die Möglichkeit das Einsatzgebiet einerseits im Vertrieb - zum Beispiel bei der Auftragsanlage oder bei der Erstellung der Lieferung – anzusiedeln, und andererseits die Debitorenbuchhaltung auf der Abstimmkontoebene als Zeitpunkt zu wählen. Eine Konstellation beider Einsatzbereiche ist ebenfalls möglich.

Durch die Aufnahme der unternehmensspezifischen Anforderungen können dann die passenden Versionen des SAP-Kreditmanagements abgeleitet werden. Das Kreditmanagement steht in zwei Ausprägungen zur Verfügung:  als Basic- und als lizenzpflichtige Advanced-Version. Die Advanced-Version enthält neben den sämtlichen Funktionen aus der Basic-Version zusätzliche Funktionalitäten, die den Automatisierungsgrad erhöhen - zum Beispiel bei der Berechnung der internen Kreditwürdigkeit oder des Kreditlimits (siehe Tabelle Gegenüberstellung Basic/Advanced). Je nach den angestrebten Automatisierungsstufen und dem gewünschten Funktionsumfang kann es sinnvoll sein, die lizenzpflichtige Advanced-Version des Kreditmanagements einzusetzen.

Unternehmen müssen nach der Geschäftsanalyse und Aufnahme der Kundenanforderungen intensiv abwägen, wie das Kreditmanagement genutzt werden soll bzw. welche Version in Frage kommt. Zusätzlich kann es vom Vorteil sein die mittel- und langfristige Unternehmensziele zu betrachten und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

2. Umsetzung des Customizing

Im Rahmen der Implementierung des SAP-Kreditmanagements erfolgt die technische Realisierung sowie die umfassende Dokumentation der spezifischen Anpassungen. Die in der ersten Phase definierten Geschäftsanforderungen werden durch Customizing und Konfigurationen im System umgesetzt. Dies umfasst unter anderem die Implementierung von Formeln für die Berechnung interner Bonitätswerte, Risikoklassen, definieren von Prüfregeln etc.

Für den Fall, dass bestimmte Anforderungen nicht durch Standard-Customizing abgedeckt werden können, sind zusätzliche Entwicklungen notwendig. Diese individuellen Anpassungen gewährleisten eine vollständige Abdeckung der spezifischen Geschäftsanforderungen.

Die technische Implementierung dieser Anpassungen wird in einer engen Kooperation zwischen den beteiligten Fachabteilungen des Unternehmens und den zuständigen SAP-Beratern vorgenommen. Diese kollaborative Vorgehensweise stellt sicher, dass die umgesetzten Lösungen optimal auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmt sind.

Parallel zur Umsetzung erfolgt die detaillierte Dokumentation aller durchgeführten Einstellungen und Anpassungen. Diese Dokumentation dient als wichtiges Nachschlagewerk, um die vorgenommenen Konfigurationen und Entwicklungen nachvollziehbar und transparent zu machen. Sie bildet eine wesentliche Grundlage für zukünftige Anpassungen, Updates oder Fehlerbehebungen und unterstützt somit eine effiziente Systemwartung und -pflege.

3. Testen, Qualitätssicherung und Abnahme

Im Anschluss an die technische Realisierung der geschäftlichen Anforderungen innerhalb des SAP-Systems ist die Durchführung umfassender Tests von zentraler Bedeutung. Diese Schritte gewährleisten, dass sämtliche Anpassungen korrekt funktionieren und den spezifizierten Geschäftsanforderungen gerecht werden.

Zunächst ist die Anreicherung der Stammdaten erforderlich, um eine solide Basis für die Testfälle zu schaffen. Dies umfasst beispielsweise die Ergänzung des Geschäftspartners um kreditmanagementspezifische Stammdaten, wie etwa Kreditsegmente oder Kreditlimits, welche für die Durchführung der Tests unabdingbar sind.

In der Folgephase wird der Fokus auf die Entwicklung von Testfällen gelegt. Dabei werden potenzielle Geschäftsvorfälle simuliert, wie sie in der betrieblichen Praxis auftreten könnten. Die Authentizität und Nähe dieser Testfälle zu realen Geschäftsszenarien ist entscheidend, um frühzeitig mögliche Fehlerquellen zu identifizieren und zu eliminieren.

Es ist wichtig, drei verschiedene Arten von Testfällen zu berücksichtigen:

  • Die erste Art bestätigt die korrekte Funktionsweise unter normalen Bedingungen,
  • die zweite Art ist eine Gegenprüfung des ersten Testfalls und
  • die dritte Art beinhaltet das gezielte Auslösen einer Fehlermeldung, um das System bei fehlerhaften Bedingungen zu überprüfen.

Ein Beispiel hierfür im Kontext des Kreditmanagements könnte sein, dass ein Kundenauftrag mit einem Business Partner erstellt wird, der einmal das Kreditlimit überschritten hat und einmal unterschreitet. Auf diese Weise wird überprüft, ob der Kundenauftrag in den jeweiligen Fällen korrekterweise gesperrt oder nicht gesperrt wird.

Ein weiterer Testfall könnte das Erstellen eines Kundenauftrags mit einem Business Partner sein, der kein gültiges Kreditsegment hat oder nicht über die Geschäftspartnerrolle "Kreditmanagement" verfügt. Diese Vorgehensweise trägt dazu bei, sicherzustellen, dass die technische Lösung den tatsächlichen Geschäftsanforderungen entspricht.

Zusätzlich zu den primären Funktionen des Kreditmanagements müssen auch die Zugriffsberechtigungen für die entsprechenden Nutzergruppen überprüft werden. Dadurch erhalten die Fachbereichsbenutzer Zugriff auf die benötigten Transaktionen und Fiori-Apps. Die Überprüfung der Zugriffsberechtigungen hilft, Probleme mit Berechtigungen während der Produktivsetzung zu vermeiden und den reibungslosen Ablauf der Geschäftsprozesse sicherzustellen.

Es ist erforderlich, die GUI-Transaktionen und Fiori-Apps zu testen, um sicherzustellen, dass sie ordnungsgemäß funktionieren und zum Beispiel alle Backend-Services für die Fiori-Apps aktiviert sind. Dieser Test umfasst nicht nur das Abrufen der Transaktionen oder Apps, sondern auch die Überprüfung, ob die Daten korrekt dargestellt werden und ob Funktionen wie beispielsweise Absprungmöglichkeiten in Berichte oder in die Geschäftspartnerstammdaten einwandfrei funktionieren.

Die Implementierung der Kreditmanagementlösung sollte erst dann für den produktiven Einsatz freigegeben werden, wenn die Phase der Qualitätssicherung und die formale Abnahme erfolgreich abgeschlossen sind. Diese systematischen Tests und Prüfverfahren sind entscheidend, um eine hohe Zuverlässigkeit und Effizienz des Kreditmanagementsystems im operativen Geschäftsbetrieb zu gewährleisten.

4. Schulung und Change Management

Vor der Implementierung des Kreditmanagementsystems ist es wichtig, dass alle beteiligten Mitarbeiter umfassende Schulungen erhalten, die auf ihren individuellen Kenntnisstand zugeschnitten sind. Diese Schulungen sollen sicherstellen, dass die Mitarbeiter mit den neuen Prozessen und Funktionen vertraut sind. Die Trainingsmaßnahmen können verschiedene Formate umfassen wie Präsenzschulungen am Arbeitsort, die Bereitstellung von Schulungsmaterialien und Online Schulungen. Ein besonderer Schwerpunkt sollte auf den Stammdatenschulungen liegen, damit die Mitarbeiter verstehen, welche spezifischen Auswirkungen Änderungen - wie zum Beispiel die Anpassung von Prüfregeln - auf die Geschäftsprozesse haben können. Es ist auch vorteilhaft, wenn die Mitarbeiter durch praktische Übungen wie das Durchführen von Testfällen im System praktische Erfahrungen sammeln können. Diese praxisnahe Herangehensweise fördert ein tiefgreifendes Verständnis für das System und trägt zu einer effizienten Nutzung im Arbeitsalltag bei.

Zusätzlich spielt ein effektives Change Management eine entscheidende Rolle, um die Akzeptanz und das Verständnis der Mitarbeiter für die Vorteile des neuen Kreditmanagementsystems zu fördern. Dies ist besonders wichtig, da inkorrekte oder fehlerhafte Stammdaten negative Auswirkungen auf die Liquiditätssituation des Unternehmens haben können. Zum Beispiel können falsch festgelegte Kreditlimits oder eine inkorrekte Einschätzung der Risikoklassen zu übermäßigen Kreditvergaben an nicht kreditwürdige Kunden führen, was wiederum finanzielle Risiken für das Unternehmen bedeuten kann.

5. Go-live und kontinuierliche Verbesserung

Nach der erfolgreichen Implementierung und den abschließenden Schulungsmaßnahmen kann das Kreditmanagement seinen Betrieb aufnehmen. In der Anfangsphase ist es wichtig, einen Supportprozess zu etablieren, um auftretende Probleme zu identifizieren und einen reibungslosen Betriebsablauf sicherzustellen. Zusätzlich ist eine regelmäßige Überprüfung der umgesetzten Anforderungen erforderlich, um sicherzustellen, dass sie die tatsächlichen Geschäftsprozesse korrekt abbilden. Sollten dabei Diskrepanzen festgestellt werden, müssen entsprechende Anforderungen definiert und Anpassungen vorgenommen werden. Die kontinuierliche Überprüfung der Geschäftsanforderungen ist notwendig, um sicherzustellen, dass sie dem aktuellen Marktumfeld entsprechen und externe Einflüsse berücksichtigt werden, die die Geschäftsanforderungen verändern könnten. Dieser Prozess ist entscheidend, um sicherzustellen, dass das Kreditmanagement weiterhin einen Mehrwert für das Unternehmen bietet, die Liquidität sichert und das Risiko von Zahlungsausfällen minimiert.

Bei weiteren Fragen rund um das Thema Kreditmanagement in SAP nehmen Sie Kontakt mit uns auf. 

Søren Rebenstorff, Analyst SAP FI/CO CONSILIO GmbH Kontakt aufnehmen