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01. Oktober 2024

SAP LE-TRA Ablösung: Gibt es Alternativen zu SAP TM?

Mit der Umstellung auf SAP S/4HANA endet das Nutzungsrecht des LE-TRA-Moduls am 31.12.2030. Unternehmen, die es in ihrer Transportplanung einsetzen, stehen vor der Herausforderung, eine Ablösungsstrategie zu entwickeln. Übersicht der Lösungen im CONSILIO-Guide.

Die Antwort auf die Frage, was nach LE-TRA folgt, ist klar: SAP Transportation Management (TM) übernimmt als direkter Nachfolger. LE-TRA wird vollständig abgelöst. Hier geht SAP einen härteren, geradlinigeren Weg als beim Warehouse Management (WM) Modul, wo zwar das Extended Warehouse Management (EWM) als direkter Nachfolger im Rampenlicht steht, dennoch mit Stock Room Management (StRM) eine Zwischenlösung angeboten wird.

Vermeintlich ist Geradlinigkeit eine positive Sache und sollte hinsichtlich der vielen Architektur-Möglichkeiten gerade im SAP-Logistikdschungel von vielen Unternehmen auf Zustimmung stoßen. Allerdings bereitet diese Geradlinigkeit jenen Unternehmen Kopfschmerzen, die das LE-TRA-Modul im Großen und Ganzen nutzen, um eine Klammer für ihre Lieferungen zu bilden. Über diese Klammer werden bspw. Transportpapiere gedruckt, EDI-Nachrichten an Spediteure versendet und eine Frachtkostenabrechnung erzeugt. Hier und da gibt es noch eine Schnittstelle an KEP-Dienstleister. Alles keine Raketenwissenschaft, dennoch unverzichtbare Funktionen, ohne die die Ware nicht vom Hof fahren kann.

Wer sich mit TM und den Fiori Apps bereits vertraut gemacht hat, weiß, dass es eine hochentwickelte Lösung bietet – mit Funktionen, die LE-TRA weit übertreffen.

Der umfassende Funktionsumfang und die völlig neue Struktur von TM können auf den ersten Blick überwältigend wirken. Das Erlebnis der ersten Systemvorstellung von TM lässt an den Moment erinnern, in dem man zum ersten Mal im frisch gekauften Neuwagen sitzt, nachdem man das vorherige Auto über Jahrzehnte bis zum bitteren Ende gefahren hat und sich nun etwas Neues gönnt. Wobei der Neuwagenkauf eher Glücksgefühle erzeugt.

TM wirkt dann eher wie ein Formel-1-Auto, und es fallen Sätze wie „ist zu groß für uns“ oder „passt nicht zu uns als Unternehmen“.

Was können diese Unternehmen also tun, um die Ablösung des LE-TRA Moduls zu meistern? Letztendlich gibt es zwei Möglichkeiten, die ich nachfolgend vorstellen werde.

Passt TM zu meinen Prozessen?

Häufig stößt TM schon deshalb auf Ablehnung, weil der grundlegende Prozessablauf in Stein gemeißelt scheint und die Integration zu anderen Modulen viele Fragen aufwirft:

Der klassische TM-EWM-Prozessablauf besagt, dass die Abwicklung im TM immer der Abwicklung im Lager voransteht, das sogenannte „Transportation-Driven Planning“. Insbesondere die Unternehmen, deren Transportabwicklung stark von den Aktivitäten im Lager abhängt, stoßen bei diesem Ablauf schnell auf Herausforderungen. Für diese Unternehmen steht die finale Transportplanung erst dann fest, nachdem das Lager fertig kommissioniert und verpackt hat, statt davor. Dieser Ansatz, bei dem die Lagerabwicklung vor der Transportplanung steht, wird als „Execution-Driven Planning“ bezeichnet.

Andere Herausforderungen können sein, dass das Unternehmen zwar auf EWM umgestellt hat, jedoch noch nicht auf TM, übt infolgedessen die Transportplanung auf EWM-Ebene via Transporteinheiten und Apps wie dem EWM-Versandcockpit aus. Eine Variante dieser Konstellation ist, dass hier noch zusätzlich über das EWM via Idoc ein LE-TRA Transport erstellt wird.
Müssen diese Unternehmen nun alles umstrukturieren, um von LE-TRA auf TM zu migrieren?

Ein weiteres häufiges Szenario ist, dass das Unternehmen mit LE-TRA und WM arbeitet und zunächst den Wechsel auf TM anstrebt, ohne dabei das WM und die daran hängenden Prozesse im Lager berühren zu wollen. Diese isolierte Herangehensweise birgt das Risiko, dass die Prozesse später erneut angepasst werden müssen.

Folglich sind über die Jahre die unterschiedlichsten Prozesskonstellationen zustande gekommen, weshalb eine integrative Strategie wichtiger denn je ist. Mein Rat an die Unternehmen, die vor dieser Herausforderung stehen, ist, sich möglichst zeitnah mit dem Thema zu befassen: Es kommt viel Arbeit auf sie zu! Mit den nachfolgenden Strategie-Tipps möchte ich jedoch ein wenig die Angst nehmen.

Strategie-Tipp Nr. 1: Es muss nicht zwingend über TM gehen!

Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob die im LE-TRA verwendeten Funktionen ausschließlich über ein SAP TM abgedeckt werden können. Sofern es nur darum geht, eine Klammer um Lieferung zu bilden, könnte dies auch über das EWM-Modul realisiert werden.

EWM verfügt über eigene Funktionen zur Abbildung von Transporten, wie beispielsweise die Bildung von Transporteinheiten, Vergabe von Terminen (Dock Appointment Scheduling) oder auch das Abbilden der Aktivitäten auf dem Werksgelände: ein Funktionspaket, welches unter dem Namen Yard Management zusammengefasst wird (nicht zu verwechseln mit Yard Logistics!).

Es ist wichtig zu verstehen, dass SAP TM in der reinen Transportplanung klar die Nase vorn hat. EWM konzentriert sich stärker auf die Abwicklung von Transporten als auf deren Planung. Auch nachgelagerte Aufgaben, wie die Frachtkostenabrechnung, können ein K.-o.-Kriterium für eine EWM-Standalone-Lösung darstellen, da diese Funktionen im Standard fehlen.  

Außerdem sollten Unternehmen bedenken, dass die Nutzung des EWM-Funktionspakets „Warenannahme und Versand“ (Shipping and Receiving), wie etwa zur Verwendung von Transporteinheiten, immer eine Advanced Lizenz erfordert.

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Strategie-Tipp Nr. 2: TM kann auch einfach sein!

Unternehmen sollten sich nicht von TM abschrecken lassen oder es voreilig verwerfen. Für den End-to-End-Prozess gibt es mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als oft vermutet wird. Insbesondere durch den erweiterten Warenannahme- und Versandprozess (Englisch: „Advanced Shipping and Receiving“, kurz „ASR“) ergeben sich völlig neue gestalterische Möglichkeiten dank einer vereinfachten Kommunikation zwischen TM und EWM, der Lagerraumverwaltung (LV bzw. StRM), Bestandsführung und Inventur (MM-IM) und Logistics Execution (LE).

Der erweiterte Warenannahme- und Versandprozess zeichnet sich durch ein harmonisiertes Datenmodell zwischen TM und EWM aus, bei dem die EWM-Transporteinheit entfällt. Stattdessen ist der TM-Frachtauftrag das führende Objekt, auf das Lagermitarbeiter über speziell von SAP bereitgestellte Fiori-Apps zugreifen. So ermöglicht die neue Fiori App Frachtaufträge Laden oder entladen Lageraktivitäten wie Be- und Entladen, Torzuweisungen, Statusupdates oder sogar Warenbewegungen. Dabei wird direkt auf den Frachtauftrag zugegriffen, statt wie zuvor auf eine Datenreplikation über die EWM-Transporteinheit angewiesen zu sein.

Bei genauer Betrachtung des Prozessablaufs wird deutlich, dass hier eine Transportplanung nach der Lagerabwicklung erfolgt (Execution-Driven), obwohl zuvor erläutert wurde, dass die Transportplanung normalerweise vorausgeht. Dies ist kein Irrtum; durch das ASR-Integrationsmodell ist sowohl das Transportation-Driven als auch das Execution-Driven-Planning möglich, was eine erhebliche Flexibilität für die Prozessgestaltung und Implementierung bedeutet. Das Integrationsmodell mit EWM-Transporteinheiten bleibt hingegen beim Transportation-Driven-Planning.

ASR vereinfacht den Gesamtprozess, löst jedoch noch nicht das Problem der Benutzerfreundlichkeit. Hier bietet die SAP mit neueren S/4-Releases Abhilfe und liefert vorgefertigte Layouts für das Transportation Cockpit, die sich sehr nah an dem Look and Feel des LE-TRA Moduls orientieren. Diese Layouts lassen sich auch beliebig anpassen. Das Transportation Cockpit ist übrigens auch für das Basic TM verfügbar, sofern innerhalb dieser App keine Advanced Features verwendet werden. Mit den mitgelieferten Basic Layouts geht man hier als Unternehmen kein Risiko ein.

Bei weiteren Fragen rund um das Thema Transportmanagement nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf!

Maximilian Schmidt, Senior Consultant SCM CONSILIO GmbH Kontakt aufnehmen

Fazit

Unternehmen, die aktuell das LE-TRA-Modul nutzen, müssen bis spätestens 2030 eine Ablösestrategie entwickeln. SAP Transportation Management (TM) wird als nahtloser Nachfolger präsentiert, bietet jedoch eine weit umfassendere und komplexere Funktionalität, die anfangs überwältigend wirken kann. Doch es gibt Alternativen und Gestaltungsmöglichkeiten, die den Übergang erleichtern. Unternehmen sollten die Möglichkeiten von TM und EWM sorgfältig prüfen und entscheiden, welches System am besten zu ihren spezifischen Prozessen passt. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema und eine wohlüberlegte Strategie sind dabei entscheidend, um den Umstieg erfolgreich zu meistern. Als Spezialist für die Lagerverwaltung hat CONSILIO sich zum Ziel gesetzt, die Transportplanung nicht aus dem Blick zu verlieren und Unternehmen eine ganzheitliche Lösung zu bieten.